
Die Westsahara ist seit Jahrzehnten ein geopolitischer Brennpunkt. Die Region, die etwa 266.000 Quadratkilometer umfasst, ist reich an Phosphatvorkommen und verfügt über fischreiche Küstengewässer, was sie zu einem wirtschaftlich begehrten Gebiet macht. Die Kontrolle über die Westsahara ist jedoch umstritten und führt zu massiven politischen Spannungen, internationalen Verwerfungen und einer anhaltenden militärischen Auseinandersetzung. Die Geschichte des Konflikts reicht bis in die Kolonialzeit zurück, als Spanien die Westsahara von 1884 bis 1975 als Kolonie hielt. Bereits 1966 forderte die UN-Generalversammlung Madrid auf, ein Referendum zur Selbstbestimmung der Sahrauis durchzuführen – eine Forderung, die niemals umgesetzt wurde. Stattdessen teilten Marokko und Mauretanien das Gebiet 1976 untereinander auf, nachdem sich Spanien zurückgezogen hatte. Während sich Mauretanien 1979 aus dem Konflikt zurückzog, übernahm Marokko die vollständige Kontrolle und annektierte das Gebiet de facto.
Dies führte zur Gründung der Frente Polisario, einer militärischen und politischen Widerstandsbewegung, die für die Unabhängigkeit der Sahrauis kämpft und die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) proklamierte. In den darauf folgenden Jahren führten die Polisario-Front und Marokko einen blutigen Guerillakrieg, der erst 1991 durch einen von der UN vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Die zugesagte Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der Westsahara wurde jedoch nie durchgeführt. Im Jahr 2006 legte Marokko einen sogenannten Autonomieplan vor, der die Region als „Sahara-Autonomieregion“ mit einer eigenen Regierung und einem Parlament vorsah. Dies würde den Sahrauis eine begrenzte Selbstverwaltung ermöglichen, während Marokko weiterhin die Kontrolle über Verteidigung, Außenpolitik und Wirtschaft behielte. Während Marokko diesen Plan als pragmatische Lösung anpries und internationale Unterstützung – insbesondere von Frankreich, Spanien und den USA – erhielt, lehnt die Frente Polisario den Vorschlag ab. Sie argumentiert, dass Marokko keine Souveränität über das Gebiet besitzt und somit keine Autonomieregelung anbieten kann. Zudem befürchtet sie, dass die Umsetzung des Plans einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte, in dem ein Staat völkerrechtswidrig besetzte Gebiete in seine Verwaltungsstruktur integriert. Seit 2019 hat sich die Lage in der Westsahara dramatisch verschärft. Die Spannungen erreichten im November 2020 ihren Höhepunkt, als marokkanische Truppen in die von der UN kontrollierte Pufferzone in Guerguerat eindrangen, um dort eine von Polisario-Sympathisanten organisierte Straßenblockade aufzulösen.
Auch das Mandat der UN-Mission MINURSO (Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara) konnte nicht auf eine Menschenrechtsüberwachung ausgeweitet werden, da Marokko dies strikt ablehnt. Währenddessen geht Marokko dazu über, die natürlichen Ressourcen der Westsahara intensiv wirtschaftlich zu nutzen, insbesondere durch den Abbau von Phosphat und den Ausbau erneuerbarer Energien in der Region. Internationale Unternehmen wie Siemens sind in umstrittene Projekte verwickelt, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen und Protesten geführt hat. International betrachtet bleibt der Konflikt weiterhin ungelöst. Die USA erkannten unter der Trump-Administration 2020 die Souveränität Marokkos über die Westsahara an, was den Konflikt weiter anheizte und Algerien, den wichtigsten Unterstützer der Polisario, zu schärferen Gegenmaßnahmen veranlasste.
Algerien kappte 2021 die diplomatischen Beziehungen zu Marokko und erhöhte seine Unterstützung für die Polisario sowohl finanziell als auch militärisch. Die Vereinten Nationen hingegen stehen weitgehend machtlos vor dem Konflikt, da sich die politischen Interessen der Großmächte widersprechen und die UNO nicht in der Lage ist, eine endgültige Lösung durchzusetzen. Die Zukunft der Westsahara bleibt ungewiss. Eine politische Lösung ist weiterhin nicht in Sicht, da Marokko auf seinem Autonomieplan besteht und die Polisario auf ein Referendum pocht. Die zunehmende Militarisierung der Region birgt das Risiko einer Eskalation, insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten marokkanisch-algerischen Beziehungen. Sollte der Konflikt in einen offenen Krieg zwischen Marokko und Algerien eskalieren, könnte dies nicht nur Nordafrika destabilisieren, sondern auch geopolitische Interessen von Akteuren wie der EU, den USA und China tangieren. Die Westsahara ist somit nicht nur ein vergessener Konflikt, sondern ein Pulverfass, das jederzeit explodieren könnte.
M.C.B